Gute Auftragslage, niedrige Arbeitslosenquote, gute Nachfrage – der Eifelkreis Bitburg-Prüm ist grundsätzlich solide aufgestellt. Dennoch gründete sich – noch vor der Corona-Pandemie – eine Unternehmer-Initiative, die einen 5-Punkte-Plan für den Eifelkreis erarbeitet hat, um den Herausforderungen der demographischen Entwicklung zu begegnen und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Firmen zu verbessern. Dabei wollen die Unternehmer die Politik stärker in die Verantwortung nehmen. Denn: Es fehlt an Dynamik. Jan Niewodniczanski, Geschäftsführer Technik und Umwelt, erklärt im Interview die Bewegründe, die zur Gründung der Initiative geführt haben.
Wir befinden uns inmitten der Corona-Pandemie und nichts ist mehr so, wie es noch Anfang des Jahres war. Auch die Unternehmen leiden enorm. Im vergangenen Jahr sah die Situation noch anders aus. Die regionale Wirtschaft im Eifelkreis Bitburg-Prüm war in guter Verfassung. Warum war es in Ihren Augen trotzdem so wichtig, die Politik stärker in die Verantwortung zu nehmen?
Grundsätzlich dürfen wir uns nicht auf dem Ist-Zustand ausruhen. Ganz aktuelles Beispiel: Die Corona-Krise hat uns aus dem Nichts überrollt und stellt viele Unternehmen vor extrem große Herausforderungen. Als wir die Initiative gegründet haben, gab es das Virus noch nicht und keiner hätte sich die heutige Situation, in der wir uns befinden, auch nur im Geringsten vorstellen können. Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen ist also immer aktuell – und heute mehr denn je.
Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen – was bedeutet das genau?
In erster Linie bedeutet das, dass der Eifelkreis so attraktiv – insbesondere auch für jüngere Arbeitnehmer und junge Familien – wird, dass es sich lohnt, hier zu leben und zu arbeiten – nicht nur für die einheimischen Beschäftigten. Auch zuwanderungswillige Fachkräfte aus anderen Regionen müssen den Mehrwert der Region erkennen und für den Eifelkreis gewonnen werden. Und dazu müssen einige Handlungsfelder angepackt werden.
Wie definieren sich diese Handlungsfelder und wer leistet hier die benötigte Pionierarbeit?
Wir haben einen 5-Punkte-Plan aufgestellt. Dazu gehören eine bessere digitale Infrastruktur mit 5G-Netzausbau und mehr Bandbreite, der Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs, die Schaffung bezahlbaren Wohnraums und nachhaltige Energiekonzepte. Auch unternehmerfreundliche Genehmigungsverfahren stehen dabei auf der Agenda. Damit die Eifel nicht länger vom Fachkräftemangel und langsamen Internet ausgebremst wird, haben sich im Eifelkreis Bitburg-Prüm Chefs großer und kleiner Firmen zusammengetan, um den Problemen entgegenzuwirken. Gemeinsam wollen wir die Politik animieren, schneller zu reagieren und sich noch stärker für diese bedeutenden Themen zu engagieren.
Stehen alle Unternehmen der Region vor den gleichen Herausforderungen oder zeichnen sich hier Unterschiede ab?
Wir alle stehen vor der gleichen Herausforderung, ob eine große Familienbrauerei oder ein kleiner Handwerksbetrieb, gehen jedoch unterschiedlich damit um. Fehlen jedoch weiterhin wichtige Rahmenbedingungen wie attraktive Energiepreise, bezahlbarer Wohnraum oder zügige Genehmigungsverfahren für Unternehmen, wird es zunächst die kleinen und mittleren Betriebe treffen, da große Unternehmen von einer gewissen Ausstrahlung profitieren und Stellen so einfacher besetzen können. Langfristig wird es sich jedoch negativ auf die gesamte Großregion auswirken, wenn auch kleine Firmen nicht mehr die Möglichkeit haben, sich weiterzuentwickeln.
Zu dieser Weiterentwicklung gehört auch das Thema Digitalisierung, das große wie kleine Betriebe gleichermaßen betrifft. Wo kann die Politik hier ansetzen, um bessere Bedingungen für die Firmen der Region zu schaffen?
Schaut man sich die Digitalisierungskarte Deutschlands an, stellt man schnell fest, dass sich unser Kreis unter allen westdeutschen Kreisen mit lediglich zwei anderen „Mitstreitern“ die Schlusslichtposition teilt. Im 21. Jahrhundert ist ein Mobilfunknetz mit vielen schwarzen Löchern jedoch inakzeptabel. Während der Kreisentwicklungsplan der Politik Ergebnisse bis 2030 vorsieht, fordern wir Unternehmer einen schnelleren Ausbau des 5G-Netzes. Schließlich sind hohe Bandbreiten und eine flächendeckende Mobilfunkverbindung maßgeblich für die Digitalisierung aller Betriebe der Region. Zudem leiden unsere Mitarbeiter sowie deren Familien unter der schlechten Vernetzung.
Ein weiterer Punkt, der insbesondere junge Familien betrifft, ist die schwierige Immobilienlage im Eifelkreis. Wie können bezahlbarer Wohnraum und ein Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs junge Fachkräfte motivieren, in der Region zu arbeiten und zu leben?
Unser Ziel ist es, den Eifelkreis so attraktiv zu machen, dass junge Menschen in der Region bleiben, und gleichzeitig als Kreis so aus der Masse herauszustechen, dass Familien aus anderen Landkreisen gerne in die Eifel ziehen. Statt bezahlbaren Wohnraum zu bieten, kämpfen wir als eigentlich ländliche Region mit ungewöhnlich hohen Immobilienpreisen. Zudem führt der öffentliche Nahverkehr ein regelrechtes Schattendasein und bietet kaum Möglichkeiten, schnell und nachhaltig seine Ziele zu erreichen. Wer aus deutschen Ballungszentren stammt, verfügt heute jedoch oft nicht mehr über ein eigenes Fahrzeug und ist an eine gut ausgebaute Infrastruktur gewöhnt. Mit digitalen Mobilitätslösungen würde die Eifel als Lebensort attraktiver werden und mehr Fachkräfte anlocken.
Langwierige Genehmigungsverfahren und hohe Energiepreise – ebenfalls Gründe, warum immer mehr Fachkräfte die Eifel verlassen?
Auf jeden Fall, schließlich hat kaum ein Unternehmen die Zeit, sich tagtäglich aufs Neue mit starren und komplexen Genehmigungsverfahren auseinanderzusetzen. Hier müssen die Behörden endlich ihre Rolle als verantwortliche Stellen wahrnehmen und Unternehmen effizient beraten sowie bei ihrem Vorhaben unterstützen. Und auch mit dem Thema Energiepreise muss sich die Politik schnellstmöglich auseinandersetzen. Neben der Umweltverträglichkeit durch nachhaltige Energiekonzepte müssen hier auch die Bezahlbarkeit und die Versorgungssicherheit im Fokus stehen. Es ist an der Zeit, die im Kreis durch politische Anreize entstandenen dezentralen Insellösungen sinnvoll zu vernetzen und mit Speicherlösungen zu erweitern. Denn nur so werden wir es als Region langfristig schaffen, unsere Attraktivität zu erhöhen und Unternehmen aller Größenordnungen bestmöglich auf die Zukunft vorzubereiten.